Tag 6 / Etappe 4 "Nahtoderfahrungen"


Tómar - Ferreira - Vila de Rei - Améndoa - Sobreira Formoza - Castelo Branco


Einfach herrlich, dieser Morgen. Wunderbar, still, fast erhaben. Ich wache auf, blinzele in die schon hell erleuchtete Zeltplane und gestatte mir, noch ein wenig herum zu dösen. Anders, als bisher, nervt keine Straße in Zeltnähe, rauscht nicht das Meer in Hörweite, rennen keine Frühaufsteher herum. Perfekte, erhabene Stille umgibt mich. Ab und zu raschelt der Baum über mir, es scheint, als könne ich sogar die Ameisen hören, die sich auf meiner Plane tummeln.
Mit den Augen folge ich ihren winzigen Schatten, die sie bei ihrer Erkundungstour über mein Zelt hinterlassen. Handy an. SMS checken. Noch einmal kurz einschlafen. Es ist erst 7 Uhr.
Herrlich, ein toller Urlaubsmorgen. Wie er im Buche steht.

Ich will es gleich vorweg nehmen, bevor der Titel dieser Tour zu viel Fragen aufwirft: Heute werde ich alle Fehler, die man als Tourenradfahrer begehen kann, machen. Heute werde ich nicht nur an meine Grenze stoßen (wie schon die Tage vorher), heute werde ich an ihr zerbrechen. Ich werde heute Unglaubliches, Erschreckendes und Wunderschönes zugleich erleben, eine erhebende Erfahrung, fast spirituell, in so kargem Umfeld erfahren, eine, die mich vielleicht nicht von Grund auf, aber doch verändern wird.

Heute werde ich sie machen, die Nahtoderfahrung, mit allem, was dazu gehört: Aufgabe, Verzweiflung, Depression.

Doch zuerst einmal ist Zähneputzen angesagt. Ich krieche aus meinem Zelt, ziehe meine Schuhe an, hole Zahnbürste und Tube hervor und wandele über die Terassen des Campingplatzes zu den Waschräumen. Es ist still - die Franzosen und Holländer schlafen noch. Dennoch steht die Sonne schon hoch am Himmel, ein paar Zirruswolken machen sich im Blau breit und, da wir hier im Inland sind, keine Nebelschwade trübt die Sicht hinab ins Tal.
Dafür ist es bereits jetzt sehr heiß.

Schnell bin ich angezogen, geschniegelt und gebügelt, befreie mein Zelt von den Ameisen, packe alles zusammen, schnüre meine Sachen auf die Speedmachine und mache mich bereit.
Gestern Abend hatte ich beim Umtrunk noch lange mit Peter und Anneke gesprochen - unter anderem, wo ich denn heute hinfahren könne. Zur Auswahl standen zwei Ziele - Peter empfahl mir, nach Castelo Branco zu fahren. Dies sei eine schöne Stadt, nicht zu klein, nicht zu groß und einmal etwas ganz anderes, als das Strand-Portugal. Zudem läge es in einer netten Gebirgslandschaft. Vermutlich hatte ich, mutig vom starken portugiesischem Bier, zu viel von meiner Sehnsucht nach richtigen Bergen erzählt.

Castelo Branco also.

"Eine schöne Strecke" hatte Peter gesagt. "So 70 bis 80 Kilometer, schätze ich."
Na, das wären dann aber 20 weniger, als mein Tagesziel, hatte ich schon gedacht, aber bestimmt das Richtige. Denn nach dieser Etappe will ich erst einmal einen Ruhetag einlegen, um dann wieder in 4 Tagen zur Küste und hoch zu meinem Endziel, Porto, zu fahren. Castelo Branco also.

Ich verlasse das "Camping Pellinos" nahe Tómar, bedauere, dass ich die berühmte Stadt nun so gar nicht kennen gelernt habe. Aber sicher komme ich noch einmal in dieses Land und vielleicht dann, vielleicht dann werde ich die Tempelritterburg, die berühmten Gärten und all die Sehenswürdigkeiten sehen. Jetzt aber steht eine neue Etappe vor mir.

Diese lässt gleich zu Beginn keinen Zweifel daran, was mich hier heute erwarten würde: Berge satt. Schon wenige hundert Meter hinter dem Zeltplatz empfangen mich erste Anstiege, Steigungen mit angsteinflößendem Gefälle, nicht einmal zehn Minuten auf dem Rad und schon ausgebremst, schon schnaufend, schon außer Puste.

Dennoch: Der dichte Baumbewuchs aus herrlichen Pinien, immer wieder durchsetzt mit Eukalyptusbäumen, beruhigt mich. So viel Grün habe ich selten in Portugal gesehen. Die Hitze steht, aber der Schatten des Walde verschafft Linderung.

Ich nähere mich dem Stausee, der sich vom Rio Zézere nährt. Und je mehr ich mich auf diesen, schon auf dem Hinflug durch mein Flugzeugfenster beobachteten See zubewege, desto grüner wird es. Ich krieche gewohnt langsam die Berge hinauf, erfreue mich an den kurzen, mitunter rasanten Abfahrten, bis ein neuer Anstieg mich ausbremst. Dann trinke ich ein paar volle Züge aus den (noch) kühlen Trinkwasservorräten meines Rades, schalte die Deore in den kleinsten Gang und mache mich daran, einen weiteren Berg auf dessen Serpentinen zu erfahren und zu umrunden.

Schon sehe ich mich hoch über dem See, der sich ins Zickzack der Täler einbettet, türkis leuchtet und erhaben in der Sonne glitzert. Eingerahmt von steilen Bergen, die bis zur Spitze dicht bewaldet sind, sieht es hier auf wie auf der perfekten Landschaft einer Eisenbahnplatte. Zudem, ich habe die Straßen fast für mich allein. Immerhin ist es früh am Morgen, ich befinde mich in einem geschützten Naturreservat: Kein Geschäftsverkehr, keine hetzenden Portugiesen, die ihrem Business nachgehen. Hier oben herrscht wirklich Ruhe.
Ich genieße es.

Genießen kann ich auch eine wirklich spektakuläre Abfahrt, die mich knapp 400 Höhenmeter vom Berg auf Normalnull bringt, wo eine riesige Brücke den Stausee überspannt. Ihr folge ich, mache mich an die Steigung.

Und hier beginnt es dann auch, das Martyrium.

Was sich gestern in Fátima nicht einstellte, nämlich religiöse Verzückung und spirituelle Erweckung, das werde ich heute am eigenen Leib zu spüren bekommen. Und es wird keine schöne Erfahrung werden.

Vor mir türmt sich ein Berg auf, wie er selbst den Todesberg von Fátima in den Schatten stellen würde: Scheinbar eine Aneinanderreihung der Steigungen des "Höllenberges" meiner zweiten Etappe. Steil, unbarmherzig, wie grinsende Mäuler hässlicher Monstren scheinen mich die sonderbar gebogenen Serpentinen auszulachen. Ein Akt unglaublicher Kraftanstrengung, Zähnezusammenbeißen, Augen zu und durch! Ich trete im kleinsten Gang - und komme doch kaum von der Stelle. Teilweise bin ich wieder zu langsam, als dass die Speedmachine noch steuerbar gewesen wäre. Auch hier wieder - die Geraden sind gerade so machbar, doch in den Spitzkehren scheint der Grad der Steigung noch einmal zuzunehmen. Und so verlangen 20 Meter Kurve mehr, als 500 Meter Anstieg.

Keine Frage, die Sonne hatte wieder einmal einen guten Tag heute - sie schleudert Ihre heißen Strahlen verschwenderisch in die Umgebung, erhitzt alles, lässt es dampfen und kochen. Und ich mitten in diesem Inferno. Noch spenden ab und zu Pinien willkommenen Schatten. Aber auch das wird sich ändern.

Ich erreiche Vila de Rei, habe nicht einmal ein Viertel meiner Strecke hinter mich gebracht. Am Kreisverkehr muss ich anhalten, ich habe nicht mal mehr die Kraft, mir eine Stelle mit Schatten zu suchen, um eine kleine Pause zu machen. So stehe ich da, in surrender Hitze, neben mir blöken mich Zikkaden an, weitab stehen braun gebrannte Bauarbeiter im Dachstuhl und schauen verwundert zu mir herüber.
Ich trinke heiße Suppe, die nach Apfel schmecken und mich erfrischen sollte, klinke meine Schuhe ein und fahre los. In den Kreisel.
Und nehme die falsche Ausfahrt.

Und so kommt es, dass ich - fast 3 Stunden lang - einer zwar wunderschönen, kleinen, verwinkelten Straße durch eine fast unberührt scheinende Landschaft folge, mich hier aber verausgabe, und damit den Grundstein für die kommende Pleite lege.

Zunächst aber sieht alles gut aus: Die Straße steigt langsam an, wird dann schmaler, wie es sich für eine Gebirgsstraße gehört, und schlängelt sich dann, mal steigend, mal fallend, um steile Berge in etwa halber Höhe herum. Mal kann ich auf den Rio Zézere blicken, mal in tiefe Täler, in denen ich sogar ab und zu eine Stromleitung oder gar ein Haus ausmachen kann. Sonst finden meine Augen hier draußen nur Wald. Nichts als wundersam beruhigenden, grünen Wald.

Es folgt eine beeindruckende Abfahrt. Da dies eine kleine Nebenstraße ist, auch gern mit halsbrecherischen, engsten Kurven, dann wieder mit Spitzkehren, die zunächst weit an den Abhang heranreichen, sodass man das Gefühl hat, in das Tal zu starten, und die später an schroffen, fast senkrechten Felswänden entlang führen.
Nach der Abfahrt folgt die Steigung und so kämpfe ich mich ein ums andere mal ebenso steile Kurven hinauf, muss dann und wann anhalten, Deckung im Schatten suchen und mich mit Wasser erfrischen.

Führt mich einmal die Strecke über die Baumgrenze, wird es kritisch. Dann nämlich spendet kein Baum mehr Schatten und ich werfe nur noch Blasen, wie der Asphalt nur wenige Zentimeter unter mir. Da hilft dann nur noch fahren, fahren, egal, was die Steigung sagt, dann hilft nur noch, sich zu fixieren, auf irgend einen Punkt, nicht zu weit weg, den man erreichen will. Und dann den nächsten. Und den nächsten. Bis man wieder Schatten hat.
Ein kleiner Baum. Ein Strauch. Selbst den kleinsten Felsvorsprung nutze ich dankbar, um anzuhalten, meinen Helm, der vor Wasser nur steht, abzuschnallen und einige Minuten Luft zu holen. Dann geht es wieder los. Wieder einen Punkt fixieren - nicht zu weit weg. Rund treten, langsam treten. Nicht aus der Ruhe bringen lassen, nicht den Schweiß von den Augen wischen, da es sonst noch mehr brennt. Das Rot auf den Unterarmen ignorieren, das Wasser in den Schuhen ignorieren. Wieder einen Punkt fixieren. Und da - ein neuer Schatten! Ein Strauch, was solls. Und welch´ Erlösung, wenn ich dann 10 Minuten später wieder den Helm abschnallen und etwas Luft schnappen kann.

Und welch´ Freude, wenn die Strecke abkippt und wieder eine Schussfahrt ansteht. Dann freue ich mich, dann macht mir auch die Sonne nichts aus. Dann genieße ich den Wind, der meine Haut kühlt, schaue in die Weite und labe mich an dieser wilden, grünen Hölle, die mich so fertig macht, die mich aber auch so unendlich - und wenn es nur 2 Kilometer bergab ist - belohnt für mein Mühen.

Und dann dämmert es mir: Ich bin falsch!

Woher ich das weiß? Weil ich die Sonne auf der falschen Seite habe. Ich habe das Gefühl, nach Süden zu fahren, wo ich doch weiter nach Osten fahren müsste. Zudem fällt mir auf, dass seit Vila de Rei nicht ein Dorf mehr meinen Weg säumte - ich nur durch Natur fahre.
Meine Karte sagt mir nicht, wo ich bin. Ich habe keine Anhaltspunkte. Umkehren? Jetzt? Auf gut Glück? Nein. Ich beschließe, im nächsten Dorf zu fragen.
Doch Dörfer kommen nicht. Nur weitere Anstiege. Weitere Quälereien und pseudomotivierende Spiele mit Fixpunkten und Shadow-Hopping.

Bis ich schließlich an eine Kreuzung mit zwei Häusern komme.
Und tatsächlich auch einen Menschen treffe.
Es ist eine alte Frau. Sie schaut mich ungläubig, vielleicht ein bisschen ängstlich an. Ich grüße sie "Bom dia!" sage ich freundlich. Sie nickt. Ihr Mann kommt hinzu. Beide schauen skeptisch.
Ich ziehe meine leere Wasserflasche und die Karte aus den Packtaschen.
"Améndoa?" frage ich und deute in Fahrtrichtung.
"Náo, náo!" machen beiden. Sie winken in die andere Richtrung: "Vila de Rei - esquerta!" sagen sie.
Wie jetzt? Alles zurück? Den ganzen Weg zurück nach Vila de Rei?
"Sempre ... Vila de Rei! Sim sim!" machen sie.

Ich bin zerstört. All die Steigungen. All die Strecken ohne Baumschutz. Die Hitze! Ich kann es nicht fassen! Schon wieder hat mich ein dummer Fehler, eine dumme Unaufmerksamkeit verleitet, Energie und Zeit zu verschwenden! Und nun - die Strecke bis hier her war schwer genug! Nun muss ich den ganzen Weg zurück!
Was für ein Wort: Zurück. Ein Wort, das Radfahrer hassen. Und momentan hasse ich es auch. Heiß und innig. Aber der einzige, auf den ich hier sauer sein kann, bin ich selbst. Ich habe mich wieder weich kochen lassen, von der Sonne. War unachtsam. Leichtsinnig. Nun stehe ich hier, mitten in der Pampa, bin leer und ausgepowert und habe nicht mal mehr Wasser ... á propos Wasser: "Agua?" frage ich.

Sie führen mich zu einer Quelle am Straßenrand. Dort kommt ein Hahn aus dem Berg. Frisches, kaltes Wasser fließt, wenn ich ihn aufdrehe. Ich tanke, bedanke mich und mache mich auf den Weg. Lange kann ich das Pärchen im Rückspiegel sehen, wie sie mitten auf der verkehrsfreien Straße stehen und mir nachschauen. Wahrscheinlich war ich der erste Kontakt zur Außenwelt seit Tagen ...

Es ist einfach nur deprimierend, sich all die Kurven hinaufzumühen, die man vor wenigen Minuten noch jauchend hinabgeschossen kam. Und schlimm zu wissen, dass es da doch ein, zwei Teilstücke gab, die so überraschend steil nach unten gingen - und die jetzt sehr brutal nach oben führen würden. Es ist zum Heulen, alles schon zu kennen, zu wissen, was da alles noch kommt. Wenn du weißt, dass die Nadel dich stechen wird, tut sie doppelt weh.
Und so bin ich einfach nur frustriert, habe kaum noch ein Auge für die tollen Landschaften. Wozu auch? Ich habe sie mir ja schon angesehen.
Ich schwitze, fluche, kann nicht mehr. Ich ärgere mich, weil ich fühle, dass ich hier einen Großteil meiner Leistungsfähigkeit für nichts verpulvert habe. Und ich befürchte, dass ich nicht genug Kraft haben werde, um den Rest, die eigentliche Route, zu vollenden. Aber was soll ich tun? Ich muss jetzt hier durch.

Erst einmal zurück nach Vila de Rei.
Erst einmal diesen Berg dort meistern.
Erst einmal diese Steigung hier schaffen.
Erst einmal zu dem Busch dort vorne kommen.

Mittlerweile ist tiefstes Mittag. Die Hitze ist unerträglich, ich schiebe mein Trikot hoch, sodass weigstens mein Bauch frei ist. Er ist nass, ein kleiner See hat sich in meinem Nabel gebildet - der Schweißsee. Kaum beschreibbar, dieses Gefühl. Ich bin hier allein. Buchstäblich. Kein Auto. Kein Dorf. Kein niemand. Nur die kochende Luft und ich, der versucht, sie zu bereisen.

Mit dröhnendem Kopf erreiche ich eineinhalb Stunden später Vila de Rei und den Kreisverkehr. Ein Etappensieg, der keiner ist. Mir geht es dreckig.

Es folgen 11 Kilometer in ein Dörfchen namens Améndoa. Und "Amen" ist es auch, was ich nach diesen 11 Kilometern ausrufe: Die Strecke war einfach nur schlimm! Drei oder vier massive Berge mit mörderischen Anstiegen in brütender Hitze. Wasser, ich habe kein Wasser mehr. Und Hunger, mich quält ein stechender Schmerz im Magen, da ich wieder einmal nur zwei Natas und einen Atomkaffee gefrühstückt habe. Doch auch Améndoa bietet keine Pastelaria, keinen Mini-Mercado und schon gar kein Restaurant. Noch nicht einmal eine öffentliche Quelle finde ich hier. Durstig, geschlagen, muss ich weiter.

Dann geht mir vollends das Wasser aus. Normalerweise starte ich morgens mit 2,5 Litern. Ein Liter immer griffbereit in der Packtasche neben mir, 1,5 Liter in der Packtasche selbst in all meinen Klamotten verstaut - so bleibt sie kühl. In den Pastelarias unterwegs fülle ich das Getrunkene normalerweise auf und trinke nebenbei frische, neue Flaschen. Normalerweise. Doch hier im trostlosen Inland ist die Bevölkerungsdichte minimal. Touristen verirren sich nur selten hier her - klar, dass es da auch weniger Cafés gibt.
Was mir nicht klar war. Oder hatte ich nur unzulänglich meine Karte studiert?
Améndoa ist nicht so gesegnet, wie der Name es vermuten lässt. Verfallene, verrammelte Häuser, allenthalben Schilder mit "Vende se" - zu verkaufen. Keine Quelle. Kein Wasser. Ich habe Durst!

Ich steige ab und nähere mich einem Haus, das wenigstens bewohnt aussieht. Ein deutscher Schäferhund, glücklicherweise angeleint, springt mir entgegen. Ich rufe: "Ola?"
Keine Antwort.
Noch einmal "Se faz favor?" - "Bitte?"
Der Hund bellt.
Eine Frau wackelt vorsichtig um die Ecke. Sie spricht nicht - sie hat eine Behinderung. Ich halte meine leere Flasche hin: "Agua?" mache ich. Bettelnd blicke ich sie an. Sie versteht nicht. Ich drehe die Flasche um - leer - will ich zeigen. "Agua, se faz favor?" sage ich noch einmal.
Dann winkt sie mich heran. Sie spricht in Gebärdensprache. Ich sage immer nur Danke, nicke freundlich und versuche, ihr klar zu machen, dass ich durstig bin.
Sie führt mich in eine Scheune zu einem Hahn.

Begierig halte ich meinen Mund an den rostigen Hahn, trinke, ein Liter, mindestens. Dann fülle ich die Flasche auf. Mittlerweile ist noch eine zweite Frau hinzugestoßen, eine sehr sehr alte. Sie reden beide auf mich ein, ich verstehe nichts, nicke aber. Dann fülle ich die Flasche auf - und begehe meinen nächsten Fehler. Denn es ist mir peinlich, zum Rad zu gehen und die andere, größere leere Flasche zu holen und diese auch aufzufüllen. So bedanke ich mich und fahre mit nicht einmal 50 % der möglichen Wasserreserven weiter. Dumm, einfach nur dumm!

Ich verlasse Améndoa, überquere langsam einen Berg und schlagartig verändert sich die Landschaft. Bäume wachsen hier nicht mehr, allenfalls mal ein einzelner, kleiner, mickriger direkt an der Straße. Draußen, an den Berghängen, sehe ich nur sonnenverbranntes Gestrüpp. Kein Flecken grün mehr. Alles Gelb, Orange. Die Berge sind Geröllhaufen von beeindruckender Größe. Und nicht durch Zufall kommen mir Bilder aus Mars-Filmen in den Sinn: Ähnlich karg, brutal und trocken muss es dort oben auch aussehen. Nur, dass es auf dem Mars bedeutend kühle ist. Hier aber plagt mich eine Hitze, die man förmlich anfassen kann.
Kein Wind durchzieht diese Gegend. Die Luft steht.

Keine Wolke am Himmel. Nur das gleißende Licht der Sonne, die alles überflutet. Die alles zum Schmelzen bringt, alles tötet, das sich nicht in Sicherheit bringen kann. Ich fahre. Versuche, einen runden Tritt zu finden, scheitere aber nach wenigen hundert Metern. Dann muss ich anhalten, durchatmen. Und einen Schluck Wasser nehmen.

Ich sehne mich danach, die Flasche einfach auszutrinken. Einfach hier und jetzt - Trinken. In einem Zug. Aber ich weiß auch, dass ich dann nichts mehr habe. Und wenn ich meinen Blick nach vorn richte, sehe ich einen Berg, und ich weiß, dass ich es nicht einmal zum Fuße des Berges schaffen würde, ohne Wasser.
Und so befeuchte ich nur meine Lippen, nehme einen kleinen, klitzekleinen Mäseschluck. Und zwinge mich, wieder weiter zu fahren. Bis, sagen wir, bis dort vorn. Da, in 300 Metern Entfernung, wo ein karger Strauch einen winzigen Halbschatten bietet. Wenn ich das schaffe, hätte ich mir einen weiteren Mäuseschluck verdient.
So taste ich mich vor.
Motiviere mich mit Scheiße.
Schleppe mich von Strauch zu Strauch.
Shadow-Hopping.

So schleppe ich mich eine Talstraße, links und rechts flankiert von steilen Graten, in ein kleines Dorf. Von Weitem schon kann ich sie sehen, und lechze, fast drehe ich durch, weil ich nicht schneller fahren kann: Eine Quelle!
Ob sie funktioniert, weiß ich freilich nicht, aber um sie herum gruppieren sich Bänke, sie selbst ist mit blau bemalten Azulejos verzieht, eine Augenweide. Ich lenke die Speedmachine auf den kleinen Platz, parke sie im Schatten einer knorrigen alten Akazie und renne zum Hahn, drehe ihn auf und ... es kommt ein scharfer Strahl kalten Wassers!

Was für eine Wohltat! Wie ein Ertrinkender, der gerade gerettet wird, muss ich nach Luft schnappen, so sehr vergesse ich beim hastigen Trinken das Atmen. Ich lasse mir das Kühle über meinen Kopf laufen, es scheint augenblicklich zu verdampfen, ich kippe es mir literweise über die kochenden Schenkel, die brutzelnden Knie. Und wieder trinken. Immer wieder trinken! Ich bin im Paradies. Merke erst jetzt, wie durstig ich war.
Und ich beschließe, hier eine kleine Pause zu machen.
Es finden sich drei staubtrockene Müsliriegel, die letzten, die ich noch aus Lissabon habe. Ich schlinge sie hinunter, spüle immer wieder mit dem köstlichen Wasser aus der Quelle nach.
So verbringe ich eine glückliche halbe Stunde, merke aber auch, wie sehr meine Reserven gen Null tendieren - und ich schaue auf die Karte und sehe, dass ich erst gerade mal die Hälfte der heutigen Strecke geschafft habe.

Noch immer schmerzt der Magen - so ein Müsliriegel ist eben kein vollwertiges Mittagessen. Ich raffe mich auf, hier kann ich nicht bleiben. Fülle noch einmal - diesmal beide - Flaschen auf und mache mich auf den Weg: So steuere ich wackelig auf die nächste Felswand zu. Ich brauche elend lange, um ihren Anstieg zu meistern. Oben angekommen, werde ich von einer rasanten Abfahrt belohnt, die mich von 600 Höhenmetern auf Null nach Arganil bringt. Aber so toll diese Abfahrt auch sein mag - genießen kann ich sie nicht. Zu apathisch hänge ich in meinem Rad, zu groß die Schmerzen, zu weich gekocht mein Schädel.

Zwei, drei, vier Berge folgen. Gleichförmig, einer ähnelt dem anderen. Struppiges Gras neben staubigem Asphalt, scharfe Schatten und Hitzeflimmern. Ich inmitten der Glut, schwitzend, stupide, langsam, entkräftet die Pedale tretend. Ich lechze nach Schatten, nutze jede kleinste Gelegenheit, meinen Helm abzunehmen, wenigstens für 2 Minuten frei atmen zu können. Manchmal liegen zwischen den Haltepunkten nur 50 Meter. Besonders an den Steigungen schaffe ich es kaum noch, mehr als 5 Minuten am Stück zu treten. Dann bin ich am Ende meiner Kräfte, wie ein Kondensator, der nur kurz Energie gibt, dann erst wieder neu aufgeladen werden muss. Mittlerweile gebe ich mir auch keine Mühe mehr, die Fahrbahn zu verlassen, wenn ich Pause mache. Ich bleibe einfach stehen, auch in Kurven. Es kommt hier sowieso keiner. Und wenn schon, er wird schon aufpassen.
So stehe ich, alle paar Minuten, unter irgend einem Baum, pumpe die heiße Luft durch meine Lunge und sammle Kraft für die nächsten paar Meter.
Alles, an das ich nun noch denken kann, ist das Ankommen. Wann ist diese Horror-Etappe endlich vorbei?

Die Antwort: In 20 Kilometern. Ich sehe es, in einen Randstein gemeißelt: Castelo Branco - 20 km. Ich verzweifle. Drehe meinen Kopf und folge mit den Augen der Straße. Sie führt einen Berg hinauf, ich kann es deutlich sehen. Drei Spitzkehren.

Da passiert es. Etwas, das ich noch nicht kannte. Es ist eine erschreckende Erfahrung. Mir ist, als trete ich aus meinem Körper heraus. Denn ich kann mich sehen. Mich beobachten, wie ich da in meinem Bike hänge. Halb tot. Fertig. Ich sehe mir zu.
Und dann sehe ich, wie ich anhalte. Einfach die Schuhe ausklinke und meine Beine zu Boden fallen lasse. Die Hände lösen sich vom Lenker, fallen lose herab. So liege ich da. Mit letzter Kraft pelle ich mich aus meinem nassen Sitz, stelle die Maschine auf ihren Ständer, ziehe Helm und Handschuhe aus und lasse mich auf den Asphalt sinken. Einfach so. Ich gebe auf.
Finito. Nichts geht mehr.
Mein Körper kann nicht mehr.
Keine Chance.

Das Beunruhigende an dieser Sache ist, dass ich das nicht bewusst tue. Ich bin nicht Urheber dieser Entscheidung, Herr der Dinge. Ich bin nur Zuschauer. Unbeteiligter. Ich sehe mir zu, wie ich aufgebe. Eine Erfahrung, die mich zutiefst schockiert. Aber erst hinterher. Jetzt, in diesem Moment, bin ich einfach nur leer. Ausgelaugt.
Nicht fertig oder K.O., nicht so, wie ich es früher oft war, nach langen Etappen. Nein, das hier, das hier ist etwas komplett anderes: Ich fühle, wie alle Anzeigen meines Körpers auf Null stehen. Hier geht nichts mehr. Komplettausfall. Das wars.

So sitze ich nun in der Nachmittagssonne der Serra de Alvelos, am Fuße eines weiteren Horrorberges. So sitze ich und habe aufgegeben.
Aufgegeben.
So etwas tut man nicht.
So etwas tue ich nicht.
Ich kenne das nicht. Weiß nicht, wie ich damit umgehen soll.

Ich nehme einen Schluck Wasser. Und stelle schockiert fest, dass ich alles bis auf wenige Schlucke leer getrunken habe. Vielleicht noch 0,2 Liter, dann ist auch dieser Rest verbraucht. Augenblicklich meldet sich mein Körpergefühl wieder: Alle Teile meines Körpers signalisieren Alarm. Die Arme, die Beine, der Magen, der Kopf. Alle Glocken schrillen, ich zittere, bekomme es mit der Angst zu tun.

Ist das jetzt der Hitzeschlag?
Ist das jetzt der Burnout?
Was tun? Ich bin in der Mitte eines Ortes, den man gut und gerne als Nirgendwo bezeichnen könnte. Sitze in einer Halbwüste ohne Wasser und Nahrung. Habe nicht einmal mehr die Kraft, aufzustehen und an den nächsten Baum zu pinkeln.

Und ehrlich: Ich habe wirklich und ehrlich Angst. Reine Angst. Wie soll das hier heute ausgehen? Ich versuche, nachzudenken, meine Situation zu analysieren. Fakt 1 - mein Körper kann nicht mehr. An eine Weiterfahrt, schon gar an eine von 20 Kilometern Länge über Berge, ist nicht zu denken. Fakt 2 - Hierbleiben kann ich nicht. Ich habe weder Nahrung (dafür schmerzhafte Bauchkrämpfe wegen des Hungers) noch habe ich Wasser. Eine ganze Nacht kann ich hier nicht überleben.
Was also tun?
Die Polizei rufen? Kein Empfang hier.
Oder doch zelten, das beste hoffen, und morgen früh den Tau von der Plane lecken, hatte nicht so auch Rüdiger Nehberg seine Survivaltrips überlebt? Schwachsinn! Ich fasse es nicht, in dieser Situation zu sein.

Und falle in eine Depression. Ich sitze apathisch da und werde immer tiefer in das dunkle Loch gezogen. Kann gar nicht mehr an klar denken. Bin nur noch weg, weit weg, setze mich mit allem möglichen auseinander, denke an Tod, an Verhungern, an Verdursten.
Ich verfluche mich, weil ich 3 Stunden umsonst gefahren und all meine Energie verschleudert habe. Ich hasse mich dafür, sunnyboyartig ohne vernünftiges Frühjstück zu versuchen, bei 40 Grad eine unbesiedelte Einöde wie diese durchfahren zu wollen. Ich könnte mich treten dafür, ohne Proviant zu reisen, weil ich Angst habe, das Bike könnte noch schwerer werden.

Ich bin einfach nur tief deprimiert. Dunkle Gedanken vernebeln alles. Dann ein Gedanke: Anhalten. Ich könnte ein Auto anhalten. Einen Transporter gar, einen mit Ladefläche. Einen, der mich die läppischen 20 Kilometer mitnimmt! Eine gute Idee! Ich beschließe also, einen Transporter anzuhalten.

Nur - es kommt kein Auto. Nicht einmal ein kleiner PKW. Nichts. Niemand. Klar - Freitag, 18:30 Uhr. Die Leute sind im Wochenende, längst schon zu Hause, am Abendbrotstisch. Oder bei Freunden. Unterwegs ist hier keiner mehr. Schon gar kein Transporter.
Ich sinke noch tiefer ein in die zähe schwarze Depression, die mich umgibt.
Fernab leutet eine Glocke. 19 Uhr.
Keine Chance, der Zeltplatz mach spätestens 20 Uhr dicht.

So sitze ich da, vielleicht noch eine halbe Stunde lang. Ich beobachte Ameisen, die auf dem heißen Straßenbelag nach Beute suchen. Oder Baumaterial für ihren Bau. Ich versuche, in den Bäumen die Zikkaden auszumachen, die ihren ohrenbetäbenden Lärm in die strohige Savanne brüllen.

Da sehe ich aus dem Flimmern ein Auto auftauchen. Es kommt näher - das wird doch wohl nicht? Nein? Doch? Da - doch! Es ist ein Transporter! Ein perfekter, wunderschöner Transporter. Eine Ladefläche, groß und breit, leer dazu noch, er fährt langsam genug, dass ich ihn anhalten kann.
Wie ein Irrer bin ich auch meinen Füßen, springe hoch, renne zur Mitte der Fahrbahn, winke, kreuze die Arme, rufe, bitte sie, anzuhalten, deute auf die Haltebucht, in der ich stehe. Winke immer wieder.
Sie fahren an mir vorbei.
Ein Mann und eine Frau.
Fahren vorbei.
Einfach vorbei.
Sie winken mir zurück - freundlich lächelnd. Für sie bin ich wohl ein lustiger Tourist. Sie erkennen nicht, dass ich in Not bin. Ich schreie, vor Wut, schreie meine ganze Verzweiflung raus, renne ihnen noch wild gestikulierend etwas hinter her.
Keine Chance. Sie fahren weiter. Lange noch kann ich ihnen folgen, wie sie die steile Steigung am Berg entlang fahren. Elend lange sehe ich sie. Sehe ich, wie sie wegfahren. Wie ein Gestrandeter, dessen Schiff vorbeigefahren ist, obwohl er das hellste Feuer, das er imstande zu entfachen war, angemacht hat.
Einfach weg, ich könnte weinen.
Aber habe selbst dafür kein Wasser mehr.

Und so sitze ich nun im Schneidersitz. Wie ein Unantastbarer. Ich bin der Welt entrückt. Habe mich gelöst. Nichts zählt mehr. Meine Gedanken, sie sind nicht mehr hier. Sie sind irgendwo. Irgendwo anders. Ich bin frei, fühle mich frei. Aber es ist keine schöne Freiheit. Eher vorgegaukelte Sicherheit, denn würde ich meine Lage objektiv bedenken, ich müsste es mit der Angst zu tun bekommen.

Die Glocke läutet wieder. 20 Uhr. Zwei Stunden sitze ich schon hier. Zwei Stunden. Ohne Rettung. Ohne Perspektive.

Und da passiert es. Diese Erfahrung, die ich fast als spirituell bezeichnen möchte. Es ist, als öffne jemand ein Wehr. Als ließe jemand eine Staumauer einstürzen - ich werde augenblicklich übermannt von schäumender Energie. Sie ist da. Von einer Sekunde auf die andere. Wie eine gigantische Welle. Wie, als gäbe der Körper eine Reserve frei, von der ich nicht wusste, dass er sie hat. Ich weiß - von einer Sekunde auf die andere - dass ich es schaffen werde. Ich bin mir sicher. So selbstverständlich schnalle ich meinen Helm um, lasse mich in die Speedmachine gleiten und fahre los.

Ich habe Energie. Massig. Ich trete, kann sogar in zwei, drei höheren Gängen fahren, als ich es sonst am Berg getan hätte. Ncht nur physisch, auch psychisch bin ich obenauf: Die Depression ist wie hinweg gewischt. Ich habe Sicherheit. Und mit einer feststehenden Selbstverständlichkeit lasse ich nicht einen Gedanken mehr an Aufgabe zu. Es existiert nicht mehr.

Zwanzig Minuten später habe ich den Berg bezwungen.

Die Stelle, an der ich vorhin noch fast in meiner Verzweiflung ertrunken wäre, ich kann sie genau sehen. Ich schaue hin, nur ein mal. Kurz. Dann fahre ich weiter, umrunde auf der Spitze den Berg - und rolle hinab. In ein Dorf.
Geradewegs darauf zu.
Eine Bar. Sie hat offen.
Ich betrete sie und traue meinen Augen nicht: Es gibt Bananen! Die letzte Rettung für Radfahrer. Kraftwerke der Natur, energiestrotzdene Früchte. Ich schlinge gleich zwei in mich hinein, trinke einen halben Liter eiskalten Eistee auf Ex, kaufe Wasser en mass und kümmere mich nicht darum, dass alle 20 Gäste der Bar nach draußen rennen, um sich mein Bike anzusehen.

So sitze ich, gierig kauend und trinkend, gewiss eine bemitleidenswert aussehende Person, inmitten schnatternder Portugiesen. Ich nehme sie nicht einmal mehr wahr. Stille Durst und Teile meines Hungers. Belohnung.
Noch 18 Kilometer. Ein Klacks, rede ich mir ein. Verabschiede mich und fahre davon. Wie in Trance. Schmerzhaft - denn zuerst meldet sich zu erst das linke, dann das rechte Knie. Bei jeder Umdrehung, es sticht bis hoch in die Leiste. Aber ich kann, nein, ich will jetzt nicht aufgeben! Nicht jetzt, nicht hier!

Diese letzten Kilometer spule ich ab, wackelnd, leer. Trotz des Energieschubs und mit Sicherheit aufgeladen durch die Bananen, ich zittere, quäle mich von Steigung zu Steigung. Mittlerweile dämmert es, wenigstens sinken dadurch die Temperaturen merklich. Auf meinem Bikecomputer steht eine unglaubliche Zahl - 130 Kilometer! Was hatte Peter heute morgen noch gesagt? 70 bis 80 Kilometer? Müde ringe ich mir ein Lächeln ab.

Da endlich erreiche ich Castelo Branco. Weiß liegt die Stadt an einem Hügel. Oben erkenne ich die Burg. Herrlich, wie ein Brillant in der Wüste, wie eine Oase. Ich fühle mich wie ein Raumfahrer, der nach langer Not seine Heimatbasis ansteuert, wie ein Verschollener, der Heim kehrt. Nur noch wenige, wenige Kilometer.
Ich bewältige den letzten Anstieg und folge dem erstbesten Hinweisschild in ein Hotel. Es ist das Best Western. Soll mir Recht sein.

Völlig entkräftet, schweißtrunken, benebelt, außer Atem, ächzend schiebe ich die Speedmachine in die Lobby. Kalter Hauch einer Klimaanlage verhindert den Kollaps. Ich knalle meine ID auf den Tresen, der schockierte Rezeptionist hat Mitleid, gibt mir sofort ein Zimmer. Preis ist mir egal. Ich schleppe zuerst das Rad, dann die Ausrüstung nach oben. Ich schließe die Tür. Ich ziehe mich nackt aus. Ich plündere die Minibar und dann lasse ich mich in eine heiße Wanne fallen. Und muss fast weinen, so schön ist es.

Heute war sie also dran, die Nahtoderfahrung. Und ich übertreibe nicht, wenn ich sie als solche bezeichne. Heute habe ich gelernt. Viel gelernt. Über das Radfahren, das Tourenfahren im Speziellen. Aber viel mehr, viel wichtiger, über mich, meine Psyche, meinen Körper.

Heute bin ich an einer Grenze zerbrochen.

Und heute bin ich über mich hinaus gewachsen.

Und während ich so in der Wanne liege wird mir klar, dass diese letzten 20 Kilometer ein Geschenk meines Körpers waren. Ein Geschenk zum Preis meiner letzten, meiner innersten Reserven. Und mir ist klar, dass ich diese erst wieder auffüllen muss. Dass ich ihn gut behandeln muss, wenn er die Tour bis Porto durchhalten soll.
Und ich bin froh, hier zu sein. Hier meinen Ruhetag, den ich so dringend brauche, verleben zu können.

Ich bin wieder Schweiß gebadet, weil es so heiß ist, als ich einschlafe. Ich war nach dem Bad noch kurz in der Stadt - keine 500 Meter vom Hotel entfernt - habe zwei Riesenhamburger und viel viel Wasser verdrückt.

Der Schlaf kommt schnell. Und er dauert lange. Ich träume nicht. Selbst dieses Reservoir ist geleert.


Gefahren: 132 km in 7 h 12 min und 18,6 km/h Schnitt

3 Kommentare:

Gonças hat gesagt…

Hi.
What a great tour and report...pitty the lousy google translation!
I'm Portuguese and enjoy cicloturism as well. Check my blog at http://roadbook.blogspot.com
Cheers
Gonçalo Pais

Anonym hat gesagt…

Puhhh..beim lesen dieser Etappe da ist mir echt die Gänsehaut über den Rücken gekrochen und auch jetzt ist es mir noch eisekalt am ganzen Körper....

Ich kann dir da voll nachfühlen. Ich habe vor 2 Jahren angefangen mit dem HP Scorpion FS zu fahten und hab hier auf der schwäb. Alb auch so einige böse steigungen an die ich mich bisher nur zum Teil getraut hab.

Schade nur dass due die SPM verkauft hat -das tut mir echt in der seele weh.

Radelnde Grüße
Peter

Unknown hat gesagt…

hi peter,

danke fürs lob. erinnere mich auch gern an diese erste meiner touren zurück - wahnsinn, schon 3 jahre her!

viel spaß bei deinen touren - wenn meine knochen dann mal zu alt und zu brüchig fürs rennrad werden, steige ich eh wieder auf LR um :o)

viele grüße,
lars